Die fünf Marienlieder des Kuno Kohn

Erstes Lied:

So viele Jahre sucht ich dich, Maria —
In Gärten, Stuben, Städten und Gebirgen,
In Buden, Dirnen, in Theaterschulen,
In Krankenbetten und in Irrenzimmern,
In Küchenmädchen, Schreien, Frühlingsfeiern,
In allen Wettern und in allen Tagen,
In Kaffeehäusern, Müttern, Tänzerinnen —
Ich fand dich nicht in Kneipen, Kinobildern,
Musiklokalen, Sommerdampferfahrten …
Wer sagt die Qual, wenn ich in Nacht auf Straßen
Nach dir zum toten Himmel schrie —

Nächstes Lied:

Der dich so sucht, Maria, wird ganz grau.
Der dich so sucht, verliert Gesicht und Bein.
Zerfällt im Herzen. Blut und Traum entweicht.
Käm ich zur Ruh … Wär ich in deiner Hand …
O, nähmst du mich in deine Augen auf …

Hohes Lied:

Maria du — daran zu denken, wie
Ich dich empfand … Der schwere Kopf versinkt —
Meer nur und Mond — Meermond und Wind und Welt —

Um deine weiße Haut der weiße Sand, Maria —
Dein Haar … Dein Lächeln … Rings ist Meer und Not
Und Ruf und Sehnsucht und ein sanftes Glück —

All dieses Singen, das so müde macht …
Kommt nicht der Himmel wie ein Mutterlied
Zur Stirn des Kindes hin und hin zu uns —

Trauriges Lied:

Jetzt geh ich wieder zwischen Tagen, Tieren,
Gestein und tausend Augen und Getön —
Der Fremdeste. Ich mußte dich verlieren …
Dein Sündenleib, Maria, war so schön —

Jetzt such ich wieder zwischen Tagen, Tieren,
Gestein und Lärm vergeblich deine Spur.
Jetzt weiß ich auch: ich mußte dich verlieren …
Ich fand nicht dich — dein Name war es nur —

Letztes Lied:

Komm nur, mein Regen … fall mir ins Gesicht —
Gelbe Laternen … werft die Häuser um —
Heile und glatte Wege will ich nicht.

So ist es schön … nur im Laternenschein …
Maria … dunkler Regen ringsherum —
So geht sichs gut. Ich möchte bei dir sein.

Was sind mir Berge und das flache Land —
Was Städte mir und bunter Nacht Hypnose —
Zurück zum Meer … Zurück zum Sternenstrand.

Du bist nicht ganz Maria, die ich suchte.
Doch bist auch du Maria — Grenzenlose …
Geliebte … Törin … sehnsüchtig Verfluchte …